Archiv für den Monat: September 2013

Zur internationalen Zuständigkeit und der Rechtsform Ltd. & Co KG

Im Falle der Anwendbarkeit von Art. 22 Nr. 2 EuGVVO ist bei gesellschaftsrechtlichen Streitigkeiten regelmäßig der Satzungssitz entscheidend.

 

Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 12.7.2011 (Aktenzeichen: II ZR 28/10) führt die Anwendung des  Art. 22 Nr. 2 EuGVVO grundsätzlich zur ausschließlichen Zuständigkeit der Gerichte des Satzungssitzes.

 

In der zugrundeliegenden Fallgestaltung war u.a. die Rechtmäßigkeit eines Beschlusses einer Private Limited Company (Limited) mit eingetragenem Sitz in England streitig. Die Limited war wiederum die persönlich haftende Gesellschafterin einer Ltd. & Co. KG, die in der Bundesrepublik ein Sportstudio betreibt.

 

Der BGH hat in zugrundeliegendem Rechtsstreit die Anwendbarkeit des Art. 22 Nr. 2 EuGVVO angenommen und eine ausschließliche Zuständigkeit des Gründungssitzes bestimmt.

 

Der BGH hat dabei klargestellt, dass er zwar im Grundsatz weiterhin der (Verwaltungs-) Sitztheorie folgt, nach der es vornehmlich auf den Ort der Verwaltung für die Bestimmung der internationalen Zuständigkeit ankommt. Für diejenigen Auslandsgesellschaften, die in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraums oder in einem mit diesen aufgrund eines Staatsvertrages in Bezug auf die Niederlassungsfreiheit gleichgestellten Staat gegründet worden sind, greift allerdings nach Auffassung des BGH die Gründungstheorie.

Schadensersatz bei Videoüberwachung am Arbeitsplatz

Nach einem Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 25.10.2010 (Aktenzeichen 7 Sa 1586/09) kann ein Arbeitnehmer bei unzulässiger Videoüberwachung am Arbeitsplatz eine Entschädigung verlangen. In dem vorliegenden Fall wurde eine Entschädigung in Höhe von 7.000 Euro als angemessen erachtet.

 

Die Arbeitnehmerin war als kaufmännische Angestellte beim Beklagten beschäftigt, welcher gegenüber der Eingangstür des Büros der Arbeitnehmerin eine Videokamera installierte. Der überwachte Ausschnitt zeigte nicht nur den Eingangsbereich, sondern auch den Arbeitsplatz der Arbeitnehmerin. Obwohl die Arbeitnehmerin mit der Kamera nicht einverstanden war, entfernte der Arbeitgeber diese nicht. Die Arbeitnehmerin klagte schließlich auf Schadensersatz wegen der Verletzung ihres Persönlichkeitsrechts. Die Verteidigung des Arbeitgebers, die Kamera wäre nur zur Sicherheit der Mitarbeiter angebracht worden und sei nicht ständig in Betrieb, war nicht erfolgreich. Die Vorinstanz verurteilte ihn zur Zahlung von 15.000 Euro Schadensersatz. Auf die Berufung des Arbeitgebers bestätigte das Landesarbeitsgericht die Entscheidung im Grundsatz, erachte dann letztlich eine Entschädigungssumme von 7.000 Euro für angemessen.

 

Zur Begründung führte das Gericht aus, dass die Videoüberwachung einen unverhältnismäßigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmerin darstellt. Dem Arbeitgeber wäre als milderes Mittel auch eine Ausrichtung der Kamera nur auf den Eingangsbereich des Büros möglich gewesen. Dabei ist unerheblich, dass die Kamera nicht ständig in Betrieb war. Schon die Unsicherheit darüber, ob die Videokamera tatsächlich aufzeichnet oder nicht, setzte die Arbeitnehmerin einem ständigen Überwachungs- und Anpassungsdruck aus. Diesen muss die Arbeitnehmerin nicht hinnehmen, zumal sie sich früh gegen die Anbringung der Kamera gewandt hatte.

 

Die wiederholte und hartnäckige Verletzung des informationellen Selbstbestimmungsrechts rechtfertigt die Verurteilung zu einer Entschädigung in Höhe von 7.000 Euro. Dies beruhe auf dem Gedanken, dass ohne einen solchen Anspruch Verletzungen der Würde und Ehre des Menschen häufig ohne Sanktion blieben mit der Folge, dass der Rechtsschutz der Persönlichkeit verkümmern würde. Bei dieser Entschädigung stehe der Gesichtspunkt der Genugtuung des Opfers im Vordergrund sowie der Zweck der Prävention.

Leiharbeiter können rückwirkend Lohn einklagen

Zeitarbeiter, die nach einem von der Tarifgemeinschaft Christlicher Zeitarbeitsgewerkschaften (CGZP) abgeschlossenen Tarifvertrag entlohnt werden, können die gleiche Entlohnung wie die Stammbelegschaft im Unternehmen einfordern.

Alle von der CGZP abgeschlossenen Tarifverträge sind unwirksam, da diese nach einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Beschluss vom 14. 12.2010, 1 ABR 19/10) weder als Gewerkschaft noch nach als Spitzenorganisation tariffähig ist.

Die CGZP ist keine tariffähige Arbeitnehmervereinigung, da sie nach ihrer Satzung keine Arbeitnehmer organisiert. Sie ist auch keine tariffähige Spitzenorganisation, da ihre Befugnis zum Abschluss von Tarifverträgen auf einen Teil des Organisationsbereichs der Mitgliedsgewerkschaften beschränkt ist. Zudem geht ihr Organisationsbereich über den ihrer Mitgliedsgewerkschaften hinaus.
Die Nachzahlungen gibt es allerdings nicht automatisch. Arbeitnehmer müssen ihre Forderungen einklagen – wegen Verjährungsfristen maximal rückwirkend bis 2005.

Kleinbetriebsklausel – die Beschäftigten in mehreren Kleinbetrieben werden nicht automatisch zusammengerechnet

Nach § 23 Abs. 1 des Kündigungsschutzgesetzes genießen Arbeitnehmer in Betrieben, in denen in der Regel nur zehn oder weniger Arbeitnehmer beschäftigt sind, keinen Kündigungsschutz.

Auch wenn ein Unternehmer mehrere Kleinbetriebe unterhält, werden die Zahlen der dort Beschäftigten nicht automatisch zusammengerechnet, wenn es sich tatsächlich um organisatorisch hinreichend verselbständigte Einheiten und deshalb um selbständige Betriebe handelt, Bundesarbeitsgericht (BAG), Urteil vom 28. Oktober 2010 – 2 AZR 392/08.

In dem vom BAG entschiedenen Fall hatte ein Unternehmer je einen Betrieb in Leipzig und in Hamburg, die zwar zusammen, nicht aber jeder für sich die Schwelle von mehr als 10 Beschäftigten überschritten. Dass die Kapitalausstattung des Unternehmens nicht gering war und dessen Geschäftsführer in Hamburg nicht mitgearbeitet hat,

Welches Recht ist anwendbar bei grenzüberschreitenden Arbeitsverhältnissen?

Bei grenzüberschreitenden Arbeitsverhältnissen besteht keine (vollumfänglich) freie Rechtswahl. Zum Schutz des Arbeitnehmers findet das Recht des Staates Anwendung, in dem er seine beruflichen Verpflichtungen im Wesentlichen erfüllt, soweit diese günstiger für ihn sind.

 

Die grundsätzliche Möglichkeit bei grenzüberschreitenden Sachverhalten die Wahl des Rechtes, welches angewendet werden soll, wird zum Arbeitnehmerschutz bei Arbeitsverhältnissen eingeschränkt. Dies gilt bei der Anwendbarkeit des Übereinkommens über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (=EVÜ). Hier gelten nämlich trotz einer vorgenommen Rechtswahl die günstigen arbeitnehmerschützenden Vorschriften des Rechts, das anwendbar wäre, wenn keine Rechtswahl vorgenommen worden wäre.  Nach Art 6 Abs. 2 EVÜ ist dies grundsätzlich das Recht des Staates, in dem der Arbeitnehmer in Erfüllung des Vertrags gewöhnlich seine Arbeit verrichtet, selbst wenn er vorübergehend in einen anderen Staat entsandt ist, oder das Recht des Staates, in dem sich die Niederlassung befindet, die den Arbeitnehmer eingestellt hat, sofern dieser seine Arbeit gewöhnlich nicht in ein und demselben Staat verrichtet.

 

In der zugrundeliegenden Entscheidung des Europäischen Gerichtshof (EuGH) entschied dieser mit Urteil vom 15.3.2011 (Aktenzeichen: c-29/10) über die Auslegung von Art. 6 Abs. 2 Buchst. a EVÜ.

 

Die Vorschrift ist demnach dahin auszulegen, dass, wenn der Arbeitnehmer seine Tätigkeit in mehreren Vertragsstaaten ausübt, der Staat, in dem er im Sinne dieser Bestimmung in Erfüllung des Vertrags gewöhnlich seine Arbeit verrichtet, derjenige ist, in dem oder von dem aus er unter Berücksichtigung sämtlicher Gesichtspunkte, die diese Tätigkeit kennzeichnen, seine Verpflichtungen gegenüber seinem Arbeitgeber im Wesentlichen erfüllt.

 

In dem zugrundeliegendem Rechtsstreit gab es einen Bezug vorwiegend zu den Rechtsordnungen Dänemarks, Luxemburgs und Deutschlands.

 

Der Kläger des Ausgangsverfahrens hat seinen Wohnsitz in Deutschland und wurde 1998 als Lastkraftwagenfahrer im grenzüberschreitenden Verkehr eingestellt. Der Arbeitsvertrag enthielt eine Klausel, mit der den Gerichten des luxemburgischen Staates die ausschließliche Zuständigkeit zugewiesen wird. Sein Arbeitgeber ist eine Tochtergesellschaft einer Gesellschaft dänischen Rechts. Gegenstand des Unternehmens ist die Beförderung von Blumen und anderen Pflanzen von Dänemark zu Bestimmungsorten vor allem in Deutschland, aber auch in andere europäische Länder. Der Transport wird mit Lastwagen durchgeführt, deren Abstellplätze sich in Deutschland befinden. In Deutschland verfügt die Arbeitgebergesellschaft weder über einen Gesellschaftssitz noch über Geschäftsräume. Die Lastwagen sind in Luxemburg zugelassen. Die Fahrer sind der luxemburgischen Sozialversicherung angeschlossen. Der Kläger wurde Ersatzmitglied des Betriebsrates. Der Kläger wehrte sich vorwiegend gegen seine Kündigung, wobei die bis dato angerufenen Gerichte nicht das für ihn günstige deutsche Recht anwendeten.

 

Es stellt sich also die Frage welches Recht anzuwenden ist. Da der Kläger seine beruflichen Verpflichtungen im Wesentlichen in der Bundesrepublik Deutschland erfüllte, sind nach der zugrundeliegenden EuGH-Rechtsprechung die zwingenden (günstigen) Bestimmungen des deutschen Rechtes anzuwenden, wie etwa die einschlägigen Kündigungsschutz- und Schadensersatzvorschriften im Hinblick auf die Betriebsratsmitgliedschaft des Klägers.

Sachgrundlose Befristung trotz früherer Beschäftigung u.U. möglich

Grundsätzlich ist eine sachgrundlose Befristung eines Arbeitsvertrages nicht möglich, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein Arbeitsverhältnis bestanden hat, § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG (=Teilzeit- und Befristungsgesetz).

 

Das Bundesarbeitsgericht hat nun entschieden, dass dies nicht gilt, wenn die frühere Beschäftigung mehr als drei Jahre zurückliegt, BAG vom 06.04.2011 (Aktenzeichen: 7 AZR 716/09). Die Gefahr missbräuchlicher Befristungsketten besteht dann regelmäßig nicht mehr.

Neue BAG-Rechtsprechung zum Übergang eines Betriebsteils

Die gesetzlichen Regelungen des § 613a BGB finden auch Anwendung, wenn nicht der gesamte Betrieb, sondern nur ein Betriebsteil durch Rechtsgeschäft erworben wird.

 

Dies setzt voraus, dass die erworbenen Teile schon beim Veräußerer eine Einheit dargestellt haben und diese vom Erwerber unter Wahrung der Identität fortgeführt wird. Damit ein Arbeitsverhältnis auf den Betriebserwerber übergeht, muss der Arbeitnehmer der Einheit zugeordnet sein. In dem vom Bundesarbeitsgericht (BAG) nunmehr entschiedenen Fall vom 7.4.2011 (Aktenzeichen: 8 AZR 730/09) reichte es nicht aus, dass der Arbeitnehmer im kaufmännischen Bereich ganz überwiegend für einen übergegangenen Betriebsteil gearbeitet haben will, da es einen Betriebsteil „Kaufmännische Verwaltung“ nicht als übertragbare Einheit gab, sondern organisatorisch nur verschiedene technische Abteilungen getrennt waren und nur diese von Erwerbern übernommen wurden.

Aussperrungen zulässiges Arbeitskampfmittel

Im Rahmen des Lokführerstreiks wurde nunmehr bestätigt, dass Aussperrungen grundsätzlich ein anerkanntes Arbeitskampfmittel darstellen.

 

In einer Entscheidung des Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg vom 13.4.2011 (Aktenzeichen: 7 Ta 804/11) wurde ein generelles Verbot von Aussperrungen im Wege einer einstweiligen Verfügung abgelehnt. Als Aussperrung wird die vorübergehende Freistellung von Arbeitnehmern ohne Fortzahlung des Arbeitslohnes im Rahmen eines Arbeitskampfes bezeichnet. Aussperrungen sind die klassische Antwort der Arbeitgeberseite auf einen Streik.

 

 

Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (= GdL) hatte gegen die Muttergesellschaft von bestreikten Bahnunternehmen im Wege eines einstweiligen Rechtsschutzes begehrt, dass der Muttergesellschaft die Unterstützung und Beteiligung an Aussperrungsmaßnahmen gerichtlich untersagt wird.

 

Das LAG Berlin-Brandenburg entschied allerdings nunmehr, dass Gewerkschaften zwar grundsätzlich rechtswidrige  Arbeitskampfmaßnahmen gerichtlich untersagen lassen können.  Bei Aussperrungen handele es sich jedoch um ein anerkanntes Mittel des Arbeitskampfes, dass grundsätzlich nicht im Wege einer einstweiligen Verfügung untersagt werden kann. Im Übrigen habe die GdL nicht ausreichend dargelegt, dass ihr Streikrecht durch die Muttergesellschaft in unzulässiger Weise beeinträchtigt worden ist.

Zur Kündigung aufgrund heimlicher Videoaufzeichnungen

Beweise mittels heimlicher Videoaufnahmen dürfen nicht in jedem Falle verwendet werden.

 

Nach Entscheidungen des Arbeitsgericht Düsseldorf vom 03.05.2011 und 29.04.2011 (Aktenzeichen: 11 Ca 7326/10; 9 BV 183/10) reicht nicht jeder pauschale Verdacht aus, um Arbeitnehmer heimlich per Videoaufnahmen zu überwachen.

 

In dem Gerichtsverfahren ging es um die Wirksamkeit von bereits durch den Arbeitgeber ausgesprochenen Kündigungen. Der Arbeitgeber, ein Brauhaus, warf den betreffenden Arbeitnehmern vor, ausgeschenkte Biere nicht korrekt abgerechnet zu haben. Als Beweis bot er Videoaufzeichnungen an, die er heimlich an der Arbeitsstelle der Arbeitnehmer angefertigt hatte. Das Gericht lehnte es allerdings ab, die Beweise zu verwerten. Nach Auffassung des ArbG Düsseldorf rechtfertige nicht jeder pauschale Verdacht auf Unterschlagung von Getränken eine heimliche Videoüberwachung. Der Arbeitgeber müsse hierfür aufgrund tatsächlicher, nachprüfbarer Anhaltspunkte einen Verdacht auf bestimmte Personen und eine bestimmte Tat konkretisieren können, so dass nach umfassender Interessenabwägung eine heimliche Überwachung des Arbeitsplatzes in Betracht komme.

 

In vorliegender Fallgestaltung sah das Gericht dies jedoch nicht als gegeben an, so dass die Videoaufzeichnungen als Beweismittel nicht herangezogen werden durften.

Abmahnung schließt spätere Kündigung aus

Spricht der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine Abmahnung aus, so kann er später nicht wegen derselben Pflichtverletzung kündigen.

Nach einem Urteil des Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg vom 28.4.2011 (Aktenzeichen: 25 Sa 2684/10) verzichtet der Arbeitgeber mit Ausspruch der Abmahnung auf ein Kündigungsrecht.

Die Klägerin in dem zugrundeliegenden Fall war als Justizangestellte in einem Amtsgericht tätig. Dort erlangte Sie Kenntnis über einen gegen den Sohn einer Arbeitskollegin gerichteten Durchsuchungsbeschluss. Dies teilte sie der Arbeitskollegin mit. Daraufhin sprach der Arbeitgeber der Klägerin (das Land Brandenburg) eine Abmahnung aus und setzte das Arbeitsverhältnis fort. Als die Klägerin in einem anschließenden Strafverfahren gemäß § 353 b StGB wegen Verletzung des Dienstgeheimnisses und einer besonderen Geheimhaltungspflicht zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt wurde, kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis.

Die hiergegen gerichtete Klage war sowohl vor dem Arbeitsgericht sowie vor dem LAG erfolgreich. Der Arbeitgeber habe durch die Abmahnung auf das Kündigungsrecht wegen dieser Pflichtverletzung verzichtet.

Das zugrundeliegende Urteil unterstreicht, dass es grundsätzlich empfehlenswert ist, vor dem Ausspruch einer Kündigung oder Abmahnung prüfen zu lassen, ob dies aus rechtlicher Sicht möglich ist und ob hierdurch ggf. sonstige Rechte verlustig gehen.